Chronik

um 1022: In einer Inventarliste des Hildesheimer Michaelisklosters werden mit Puttenhusen und Schöneworde erstmals zwei mittelalterliche Wüstungen erwähnt, die auf dem heutigen Gebiet der Nordstadt lagen. An diese alten Flurnamen erinnen heute noch zwei Straßenzüge.
um 1150: In zwei schriftlichen Quellen wird 1150 erstmals wird die Marktsiedlung Hanovere des Grafen Hildebond von Roden erwähnt. Nach dem Tod Hildebonds gelangt Hannover in den Besitz Heinrich des Löwen.
um 1240: Um 1240 erkaufen sich Hannovers Bürger eigene Stadtrechte und führen zu diesem Zweck ein Stadtsiegel ein. In einer Urkunde Herzog Ottos von Braunschweig werden diese Stadtrechte 1241 bestätigt.
um 1350: Östlich des alten St. Nikolai Friedhofs an der Goseriede wird ein Siechenhaus für Leprakranke eingerichtet. Die Pest von 1350 fordert viele Opfer und führt besonders in den stärker besiedelten Gegenden zur einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung.
um 1450: Vermögende Bürger erhalten vom Landadel Grundstücke als Lehen vor den Toren Hannovers. Entlang der Wege zu den benachbarten Dörfern und Grafschaften werden Gärten angelegt und die ersten Häuser gebaut.
um 1650: Nach dem Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 setzt verstärkt die Verpachtung von Gartenland an sog. "Kleine Leute" ein. Flüchtlinge erhalten Gartenland als Unterlehen. Nach der Machtübernahme des Herzogs Johann Friedrich von Calenberg wird das Vorwerk Herrenhausen 1665 zur repräsentativen Sommerresidenz ausgebaut.
um 1700: Der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716 entwickelt im Dienste der Hzg. von Braunschweig-Lüneburg bahnbrechende Ideen auf verschiedenen Wissensgebieten. Mit der Krönung des Kurfürsten Georg Ludwigs zum König Georg I. von England beginnt 1714 die Zeit der Personalunion in deren Folge die Stadtentwicklung im 18. Jahrhundert nahezu zum Stillstand kommt. Entlang der Herrenhäuser Allee entstehen einige herrschaftliche Residenzen des Hofadels.
um 1800: Die alten Stadtbefestigungen werden schrittweise abgebaut. Nach Aufhebung der Torsperre 1821 steigt die Einwohnerzahl in den Gartengemeinden weiter an. Vor den napoleonischen Befreiungs­kriegen wird Hannover von wechselnden Truppen besetzt. Auf dem Wiener Kongreß wird Hannover 1814 die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs. Als Governeur wird der Bruder des Königs, Adolph Friedich Herzog von Cambridge ernannt.

Die Nordstadt um 1830
 
um 1840: Nach dem Ende der Personalunion kehrt der Herzog von Cumberland als König Ernst August nach Hannover zurück und ermöglicht 1843 den Bau der Eisenbahn. Um den neuen Bahnhof herum entsteht mit der von Hofbaumeister Laves geplanten "Ernst-August-Stadt" ein völlig neuer Stadtteil.
um 1850: Thronfolger Georg V. setzt ab 1851 das Werk seines Vaters fort und beseitigt die von der Monarchie mißbilligten liberalen Zugeständnisse der Verfassung von 1848.
um 1860: Für die, aus den Vorstadtorten Königsworth, Schloßwende, Nordfelde und Fernrode gebildete, neue Kirchengemeinde wird 1859 nordwestlich des Klagesmarktes mit dem Bau der Christuskirche begonnen. Westlich davon entsteht nach Abbruch von Monbrillant die neue Residenz. In Nordstemmen wird mit dem Bau der Marienburg begonnen.
um 1870: Infolge der Niederlage im Krieg gegen Preußen kommt die Stadt 1866 unter preußische Verwaltung. Nach dem gewonnenen deutsch-franz. Krieg und weiteren Ausbau der Eisenbahn steigt die Bevölkerungszahl in der Nordstadt schnell weiter an. Die Einführung der vollständigen Gewerbefreiheit und der freie Warenverkehr begünstigen den schnellen Aufbau der Industrie.
um 1880: Nach der zwischenzeitlicher Nutzung als Hilfslazarett wird das Welfenschloß zur Technischen Hochschule umgebaut. 1879 beginnt der Hochschulbetrieb mit 421 Studenten, 40 Dozenten und 9 Assistenten.
um 1890: Für die Erschließung größerer Neubaugebiete richtet man 1890 im Stadtbauamt die Abteilung für Stadterweiterung ein. Im Jahr darauf werden die Nachbargemeinden List, Vahrenwald, Hainholz und Herrenhausen eingemeindet. Zwischen dem Königsworther Platz und Herrenhausen verkehrt seit 1892 die elektrische Straßenbahn.
um 1900: Um die Jahrhundertwende erlebt die Nordstadt dank ihrer verkehrs­günstigen Lage einen außer­gewöhnlichen Bau- und Bevölkerungsboom. Bis zum Jahr 1910 steigt die Einwohnerzahl im Stadtteil auf den Rekordwert von 47.121 Menschen an. Das Leben in den engen Wohnungen ohne Wasch- und Kochgelegenheit macht die Menschen krank und depressiv. Geräumige Bürgerhäuser mit etwas mehr Komfort können sich nur hohe Beamte und erfolgreiche Unternehmer leisten.

Die Nordstadt um 1910
 
um 1910: Der Bau des imposanten neuen Rathauses in der sumpfigen Leinemasch und der neuen Stadthalle zeugt von dem gestiegenen Selbstbewußtsein der Stadt. Die ungelösten außen­politischen Konflikte zwischen den herrschenden Monarchien entladen sich schließlich im Ersten Weltkrieg.
um 1920: Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1914-1918 entsteht mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches ein machtpolitisches und ideologisches Vakuum, das den Nährboden für den aufkeimenden Faschismus und Kommunismus in den nachfolgenden Jahren bildet. Hohe Reparationsforderungen der Siegermächte lähmen die deutsche Wirtschaft und führen schließlich zum Zusammenbruch der Währung.
um 1930: Während der großen Weltwirtschaftskriese 1929-1933 gewinnt der Nationalsozialismus mit seinen intoleranten, rassistischen Bestrebungen zunehmend an Bedeutung. Nach der Machtergreifung Hitlers werden alle Gesellschaftsbereiche politisch gleichgeschaltet. Währenddessen schreitet der technologische Fortschitt auf vielen Gebieten voran.
um 1940: Die Hetze gegen politische und soziale Minderheiten erreicht 1939 mit der Zerstörung jüdischer Einrichtungen einen weiteren traurigen Höhepunkt. Mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen beginnt der Zweite Weltkrieg in dessen Folge weite Teile Europas verwüstet werden. Durch wiederholte Luftangriffe auf Hannover wird ab 1943 auch die Nordstadt stark in Mitleidenschaft gezogen. Östlich des E.-Damms wird nahezu jedes Haus von Fliegerbomben zerstört.
um 1950: Nach den entberungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren beginnt unter Stadtbaudirektor Rudolf Hillebrecht der Wiederaufbau. Die Währungsreform und die liberale Wirtschaftspolitik unter Ludwig Erhard schaffen die Grundlage für das deutsche Wirtschaftswunder. Auf ehemaligen Trümmer­grundstücken entstehen dringend benötigte Wohnungen und Produktionsstätten für die anlaufende Wirtschaft. Parallel dazu entstehen Schulen, Spielplätze, Kindergärten, Krankenhäuser, ...
um 1960: Der akute Arbeitskräftemangel führt ab 1955 zur Anwerbung südeuropäischer Arbeitskräfte. Nach Verbesserung der Wohnsituation sind auch Familienzusammenführungen kein Problem mehr. Ende der 50er Jahre erreicht die Industrieproduktion wieder neue Rekordwerte. Auf dem modernisierten Güterbahnhof am Weidendamm können täglich 390 Güterwagons umgeladen werden. Der neue Innenstadtring mit Schnellverbindungen zum Autobahnnetz hat Modellcharakter.
um 1970: An den Unversitäten regt sich das politische Bewusstsein. Infolge der veränderten Bildungspolitik ( Öffnung der Universitäten für breite Bevölkerungsschichten ) steigen die Studentenzahlen gegen Ende der 60er Jahre stark an. Die Universität kauft nahezu alle freiwerdenden Flächen auf und errichtet viele neue Gebäude. Das nachlassende Wirtschaftsklima führt zu einem Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte. Nach dem "Ölschock" von 1973 ist das Ende der wirtschaftlichen Wachstumsphase offensichtlich.
um 1980: Durch den einsetzenden Strukturwandel verlassen immer mehr Industriebetriebe die Nordstadt. Die Arbeitslosigkeit im Stadtteil nimmt stetig zu, notwendige Investitionen zur Neuansiedlung kleinerer Betriebe bleiben aus und die ehemaligen Produktionsstätten beginnen langsam zu verfallen.
um 1985: Die Nordstadt wird Sanierungsgebiet. Zahlreiche Häuser werden mit Hilfe von Fördermitteln oder zinsgünstigen Darlehen modernisiert. Im Bereich um die ehemalige Schokoladenfabrik Sprengel kommt es im Kampf gegen Abriss und Neubau durch einen ortsfremden Großinvestor zu Hausbesetzungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach Insolvenz des Eigentümers geht das Gelände in den Besitz der Stadt Hannover über, die mit den Besetzern verhandelt. Es kommt schließlich zur einer friedlichen Einigung.
um 1995: Im September 1993 wird der neue Stadtbahn-Tunnel C-Nord freigegeben. Der Straßenabschnitt darüber als begrünte Einkaufsmeile gestaltet. Der Zuschlag für die Ausrichtung der Expo2000 setzt weitere Finanzmittel frei. Auf den freigewordenen ehemaligen Industrieflächen entstehen nach kurzer Bauzeit 750 neue Wohnungen. Ein neues Verkehrskonzept sollte den Durchgangsverkehr aus dem Stadtteil verbannen und die Wohnlage für junge Familien mit Kindern wieder attraktiver machen. Dies gelang, es regte sich jedoch auch Widerstand. Mit der Schließung des Hauptgüterbahnhofs am Weidendamm endet 1997 die 120-jährige Güterverkehrstradition in der Nordstadt.
um 2000: Zur Expo 2000 präsentierte sich die Nordstadt mit einem leicht modifizierten Verkehrskonzept, dem neu gebauten Nordstadt-Bahnhof, beispielgebenden Um- und Neubauten zur Nachnutzung ehemaliger Industriebrachen, dem neuen Regenwaldhaus im Berggarten (anstelle des 1943 zerstörten Palmenhauses), der Diakoniekirche in der Christuskirche, Antony Gormley in der Lutherkirche, und einem spärlich besuchten Lichtkunstobjekt im Weidendamm.
um 2005: Mit der Errichtung von Stadtwohnungen und Stadthäusern rund um den neugeschaffenen Heisenplatz konnte 2005 eine weitere Baulücke geschlossen werden. Um den nötigen Platz für die Bebauung am Heisentor zu schaffen wurde der Spielplatz auf die gegenüberliegende Straßenseite verlegt. Mit Abschluß der Arbeiten an der Alten Ladestraße am  Möhringsberg wurde Ende 2006 das offizielle Ende der Sanierungsmaßnahmen verkündet. Im Oktober 2007 erschien ein informativer Abschlußbericht.

Die Nordstadt Heute
um 2010:

Bis auf wenige Restbereiche um den ehemaligen Massengutbahnhof am Möhringsberg waren bis 2008 alle Industriebrachen einer neuen Nutzung zugeführt. Der "Nordstädter Markt", eines der letzten großen Bauvorhaben aus der Sanierungszeit, wurde im Herbst 2008 fertiggestellt. Im selben Jahr zog im Südteil des ehemaligen Hauptgüter­bahnhofs das, zuvor als Provisorium errichtete, Kundenzentrum der Dt. Post AG ein. Der überwiegende Teil des alten Bahnhofgeländes stand allerdings lange Zeit leer und verfiel.

um 2015: Zunächst mangelte es an Investoren. Beantragte Fördergelder zur Verbesserung der städtischen infrastruktur wurden nicht bewilligt. 2015 dann ein weitgehender Abriß der alten Bahnhofshalle und Neubau einer Straße entlang der alten Laderampe. Parallel dazu der Bau einer neuen DHL-Zustellbasis in auffälliger Farbgebung. Später dann eine überforderte städtische Bauverwaltung, die für einen mehrjährigen Bauverzug im Hallenbereich sorgte. 2016 öffnete der "Hafven" an der Kopernikusstraße. Ein Coworking Center mit integrierten Werkstätten. Schräg gegenüber der Bau der neuen Feuer- und Rettungswache 1. Ebenfalls neu die Ansiedlung von "Adronaco" , "Beta Boulder", "John Reed Fitness" und "Jump/One" im Weidendamm.
um 2020: Ab März 2020 dann ein lähmender Corona-Lockdown, der sämtlichen Geschäftsleuten in Stadt und Land mächtig zusetzte..Mit der "Zeitenwende" im Februar 2022 dann aufgrund steigender Baukosten eine spürbare Verlangsamung der Bautätigkeit. Bereits begonnene Projekte werden zum Abschluß gebracht. Die kontroves diskutierte Bumke-Bebauung hingegen ruht. Lediglich die Leibniz Uni zeigt sich weiterhin baufreudig.